Marma-Therapie

Woher stammt die Marma Therapie?

Dr. Sujai Krishnan: Die Marma-Therapie ist Teil des Ayurveda. Traditionell wurde die Marma-Therapie von Ayurveda-Ärzten vor chirurgischen Eingriffen zur lokalen Betäubung des zu behandelnden Körper-Areals eingesetzt.

Andererseits ist dieses Wissen auch Teil der Kampfkunst Kalari, die in den südlichen Regionen von Indien – besonders in Kerala – praktiziert wird.

Was bedeutet der Begriff Marma?

Dr. Sujai Krishnan: Der Vater der Chirurgie, Sushruthacharya, definiert Marma als „Marayathi ithi marma“ – das bedeutet: Wenn bestimmte lebenswichtige anatomische Positionen im Körper verletzt werden, verursachen die Verletzungen dieser Punkte Schmerzen, Fehlfunktionen von Organen oder sogar den plötzlichen Tod des Betroffenen.
Das Wort Marma lässt sich buchstäblich übersetzen als „ein zarter und gleichzeitig lebenswichtiger Punkt an der Verbindung von Muskeln, Nerven, Bändern, Knochen, Sehnen, Arterien und Venen – wobei in diesem Punkt entweder zwei, drei ….. oder alle genannten Strukturen miteinander verbunden sind.“

Die Tätigkeiten der Marmas werden durch das Prana Vayu (Grundenergie, die unser Leben antreibt) gesteuert. Dieses Prana Vayu ist essenziell wichtig für das Leben oder die Langlebigkeit einer Person. Im Falle der Verletzung eines Marmas kann – wegen des stufenweisen Verlustes von Prana Vayu – die Funktion der Organe bis zu einem solchen Grade beeinträchtigt werden, dass die betroffene Person ihr Leben verliert.

Welche Marmas gibt es?

 

Dr. Sujai Krishnan: Im menschlichen Körper gibt es 108 Marmas. Sie lassen sich in fünf Kategorien einteilen.

Basis für diese Klassifikation ist die Art der Verwundbarkeit, die sich nach der Verletzung des Marmas offenbart:

1) SADHYA PRANAHARA MARMA: Wenn ein Marma, das in diese Kategorie fällt, verletzt wird, droht – wegen des spontanen Verlustes des Prana Vayu – unmittelbar (sadhya) der Tod (pranahara).

2) KALANTHARA PRANAHARA MARMA: Verletzung von Marmas dieser Kategorie führen zum stufenweisen (kalanthara) Verlust des Menschenlebens (pranahara) nach einem bestimmten Zeitraum.

3) VISHALYAGHNA: Das Wort shalya bezieht sich auf einen Fremdkörper. Wenn ein Fremdkörper diese Art Marma durchbohrt, überlebt die verletzte Person, solange dieser Fremdkörper in der Wunde verbleibt. Sobald der Fremdkörper entfernt wird, tritt der Tod des Verletzten ein.

4) VAIKALYAKARA: Das Wort vaikalya bedeutet Deformation. Verletzung dieser Art Marma verursacht Deformationen jener Organe, die von diesem bestimmten Marma in ihrer Energieversorgung abhängig sind.

5) RUJAKARA MARMA: Verletzung dieser Marmas führt weder zu Deformationen von Organen, noch verursacht sie den Tod des Verletzten. Hier zieht die Verletzung des Marmas unerträgliche Schmerzen (ruja) nach sich.

Für welche Art gesundheitlicher Probleme erzielt die Anwendung der Marma-Therapie besonders gute Resultate?

 

Dr. Sujai Krishnan: Marma Chikitsa, diese wundervolle Wissenschaft, spielt eine wichtige Rolle bei der Beseitigung von Hindernissen im Fluss der Prana-(Lebens-)Energie im Körper. Sie hilft vielen Menschen, sich von chronischen Schmerzen und Störungen der lokalen Organe zu erholen.

Hier eine Auswahl der Krankheiten, für die sich Marma-Therapie als hoch wirksam und heilend erweist:

– Lähmungen
– Ischiasschmerzen
– Zittern
– Muskuläre Zuckungen und Verkrampfungen
– Gesichts- oder Bauch-Lähmungen
– Spondylose der Lendenwirbelsäule
– Wirbelgleiten im Bereich der Lendenwirbelsäule (Bandscheibenvorfall oder -Ausbuchtung)
– Spondylose der Halswirbelsäule
– Wirbelgleiten im Bereich der Halswirbelsäule (Bandscheibenvorfall oder -Ausbuchtung )
– Schulter-Arm-Syndrom
– Karpal-Tunnel-Syndrom

Welche konkreten Erfahrungen haben Ihre Patienten nach der Anwendung von Marma-Therapie machen können?

Dr. Sujai Krishnan: In Kerala konnte ich viele Erfahrungen im Zusammenhang mit Marma-Therapie sammeln, aber an dieser Stelle möchte ich über den Fall einer deutschen Patientin berichten.

Vor drei Monaten kam eine Frau zu mir in Behandlung, bei welcher die drehende und rückwärts gerichtete Bewegungsfähigkeit von rechtem Arm und rechter Hand stark eingeschränkt waren. So war es ihr z.B. unmöglich, ihren BH ohne fremde Hilfe zu schließen. Sie klagte über schwere Schmerzen beim Bewegen von Handgelenk und Schulter.

Ihre Krankengeschichte: Im Jahr zuvor hatte sie einen Unfall erlitten, bei welchem ihr rechter Radialknochen gebrochen war. Sie war operiert worden, aber nach vier Wochen hatte sich gezeigt, dass die Operation nicht geglückt war. Die Patientin unterzog sich einer zweiten Operation, woraufhin der Bruch ausheilen konnte – aber nun traten die oben genannten Probleme auf. Sie hatte eine ganze Reihe verschiedener Therapien ausprobiert, jedoch niemand hatte bisher die wahre Ursache ihrer Schmerzen erkennen können. Nun war sie zu mir gekommen.

Bei meiner Untersuchung diagnostizierte ich Probleme mit folgenden Marmas:
Urvi-, Ani-, Kurpara-, Kurchashira- und Manibandha-Marma.

Nun erklärte ich ihr die Marma-Therapie und empfahl ihr 3 Sitzungen.

Am ersten Tag war die Behandlung für die Patientin sehr schmerzhaft. Aber sie war beeindruckt: Nun konnte sie – wenn auch immer noch mit Schmerzen – ihren Arm nach hinten und oben bewegen und drehen.

Nach der dritten Behandlung war sie wieder fähig, ihren rechten Arm ohne Unterstützung und ohne Schmerzen zu bewegen.

Noch etwas muss in diesem Fall bemerkt werden: Die Patientin erhielt die Marma-Therapie parallel zu einer Panchakarma-Kur. Ich bin sicher, dass diese Kombination dazu beigetragen hat, dass die Frau so schnell von ihren Schmerzen befreit werden konnte.
Am letzten Tag meinte sie: „Marmatherapie ist die Magie des Ayurveda!“. Ich glaube, dass das wahr ist – wobei der Magier letztlich immer Gott ist.

Wie sieht Marma-Therapie „von außen“ aus? Nutzen Sie spezielle Öle und / oder Instrumente?

Dr. Sujai Krishnan: Marma-Therapie sieht wie eine normale oder vielleicht auch spezielle Massage aus. Ausgesuchte Öle zu verwenden bietet sich an, um bessere Resultate erzielen zu können. Die Massage-Techniken sind unterschiedlich. Sie hängen davon ab, welcher Teil des Körpers zu behandeln ist. Es werden keine Instrumente benutzt. Hier handelt es sich um eine Form der rein manuellen Therapie.

Was geschieht „im Patienten“, wenn ein Marma-Punkt während der Marma-Therapie behandelt wird?

Wenn wir einen Marma-Punkt berühren, kann der Patient eine Reaktion in seinem Körper und dem entsprechenden Organ wahrnehmen. Wenn der Marma-Punkt gestört ist, fühlt der Patient einen starken Schmerz, und der Körper reagiert auf diesen Schmerz.
Einige Marma-Punke verhalten sich anästhesierend: Wenn wir auf diese Punkte Druck ausüben, fällt der Patient in Ohnmacht oder das betreffende Körper-Areal fühlt sich taub an.

Sollte der Patient nach einer Marma-Therapie spezielle Regeln einhalten?

Dr. Sujai Krishnan: Es empfiehlt sich, nach erhaltener Marma-Therapie sehr gut auszuruhen und in jedem Fall harte Arbeit zu vermeiden.


Können sich Patienten auch selbst mit Marma-Therapie behandeln?

Dr. Sujai Krishnan: Marma-Therapie kann nur durch einen Ayurveda-Arzt oder einen Marma-Experten durchgeführt werden. Wer Marma-Therapie anwenden möchte, muss sehr gut im Wissen von Rachana sarari (Ayurvedische Anatomie des Menschen) und der Marma-Anatomie verankert sein. Und er sollte zunächst umfangreiche Erfahrung in Zusammenarbeit mit erfahrenen Mama-Therapeuten gesammelt haben, bevor er selbst praktizieren darf. Schon aus diesem Grund ist eine Selbst-Behandlung für Patienten nicht empfehlenswert.

Marma-Therapie ist eine wundervolle Technik im Ayurveda, aber es muss damit sehr gewissenhaft und verantwortungsbewusst umgegangen werden.


Wie viele Behandlungen sind sinnvoll?

Dr. Sujai Krishnan: Man benötigt 3-5 Behandlungen.